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15.02.2025 08:28
Seit der Einführung des Bürgergeldes wurden in München strengere Sanktionen für Arbeitssuchende eingeführt. Wer ein vom Jobcenter vermitteltes Arbeitsangebot ablehnt, kann gemäß dem Haushaltsfinanzierungsgesetz der Bundesregierung seit dem 28. März 2024 für zwei Monate den vollständigen Wegfall des Bürgergeldes riskieren.
Lediglich die Mietkosten werden weiterhin übernommen. Falls Betroffene als "uneinsichtig" gelten, kann die Sanktion auf bis zu acht Monate im Jahr ausgedehnt werden. Die Bundesregierung begründet diese Regelung mit der Notwendigkeit, Arbeitsverweigerung zu sanktionieren.
Kritik an Jobcentern: Ungeeignete Stellenangebote für Arbeitssuchende
Der Verein Sanktionsfrei e.V. hat Betroffene zu ihren Jobcenter-Vermittlungen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass viele vorgeschlagene Stellen nicht zu den Qualifikationen der Bewerber passen.
Eine promovierte Psychiaterin berichtete in einem Artikel, dass sie sich auf eine Stelle als Augenärztin bewerben sollte. Als sie dies ablehnte, erhielt sie die Antwort: „Arzt ist Arzt.“ Eine Kunsthistorikerin wurde für eine Tätigkeit in der Kunststoffproduktion vorgeschlagen. „Was das mit meinem Beruf zu tun hat, konnte mir niemand erklären“, äußerte sie.
Ein weiterer Betroffener, der nach einem Herzinfarkt nur noch über 35% seiner Herzleistung verfügte, sollte in der Sicherheitsabteilung einer geschlossenen Psychiatrie arbeiten. „Ich bin Kaufmann und habe keinerlei Erfahrung in diesem Bereich“, stellte er klar. Auch eine Vegetarierin, die seit ihrem 13. Lebensjahr kein Fleisch isst, wurde als Fleischverkäuferin vorgeschlagen. „Ich sagte ihnen, dass ich keine Ahnung von Fleisch habe, aber das war ihnen egal“, berichtete sie.
Kritik am Vermittlungssystem der Jobcenter
Neben der mangelnden Passgenauigkeit werden offenbar auch Sprachbarrieren ignoriert. Eine Frau mit einem Abschluss in Spanisch und Englisch sollte als Übersetzerin für Russisch arbeiten. Als sie darauf hinwies, dass sie kein Russisch spricht, entgegnete der Sachbearbeiter: „Wollen Sie nicht arbeiten?“
Ein weiteres Beispiel betrifft einen Mann, der bereits einen unterzeichneten Arbeitsvertrag hatte, aber dennoch zu einem Bewerbungstraining geschickt wurde – obwohl er selbst als Trainer hätte fungieren können.
Diese Fälle werfen die Frage auf, ob das Vermittlungssystem der Jobcenter zu schematisch und realitätsfern arbeitet. Statt maßgeschneiderte Jobangebote zu unterbreiten, scheinen Berufe willkürlich zugewiesen zu werden. Wer sich gegen unpassende Angebote wehrt, riskiert Sanktionen, während es für Betroffene oft schwierig ist, sich gegen unzumutbare Vermittlungen zu verteidigen.
Reaktion der Bundesagentur für Arbeit auf die Kritik
Auf Anfrage erklärte die Bundesagentur für Arbeit, dass für alle Arbeitssuchenden ein individuelles Profiling durchgeführt werde. Dabei würden „berufliche Kenntnisse und Kompetenzen mit den Bedarfen des Arbeitsmarktes abgeglichen“, um eine gemeinsame Integrationsstrategie zu entwickeln. Die Stellenangebote würden sowohl von Integrationsfachkräften als auch von Fachkräften im Arbeitgeber-Service erstellt, unterstützt durch ein technisches Matching-System.
Die Bundesagentur betonte zudem, dass Betroffene sich bei unpassenden Angeboten an ihre Integrationsfachkraft wenden könnten. Falls keine Einigung erzielt werde, stünde die Schlichtungsstelle des jeweiligen Jobcenters zur Verfügung. Zudem könnten belastende Entscheidungen per Widerspruch und gegebenenfalls Klage geprüft werden.
Zukunft der Bürgergeld-Politik: Rechtliche Auseinandersetzungen erwartet
Die verschärften Sanktionen gegen Bürgergeld-Empfänger sind zunächst auf zwei Jahre befristet. Danach wird entschieden, ob sie dauerhaft bestehen bleiben. Experten rechnen jedoch mit einer Klagewelle, da der vollständige Entzug des Bürgergeldes als verfassungswidrig eingestuft werden könnte. Der Druck auf Arbeitssuchende bleibt hoch – insbesondere, wenn ihnen eine unpassende Stelle zugewiesen wird.
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